Basis für den Ergänzungsanspruch: Das Pflichtteil
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch regelt zusätzliche Ansprüche, die dem Pflichtteil zugerechnet werden. Jeder Mensch kann frei über das Erbe bestimmen, das er bestimmten Personen hinterlässt. Die engsten Angehörigen haben nach § 2303 BGB allerdings einen Anspruch auf das sogenannte Pflichtteil. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch schützt die gesetzlichen Erben, die nicht leer ausgehen sollen, indem er ihnen wenigstens die Hälfte ihres Erbes zukommen lässt. Die Ansprüche staffeln sich nach dem Abschmelzmodell, so dass für eine Schenkung die 10 Jahresfrist vor dem Tod relevant ist, um festzustellen, welche Ansprüche sich aus der Schenkung für die Pflichtteilsberechtigten ergeben können.
Das Pflichtteil. also der Mindestanspruch am Nachlass gilt ausschließlich für den/die
- Ehegatten,
- Abkömmlinge,
- eingetragenen Lebenspartner und
- Eltern
des Verstorbenen.
Erbfolge und Höhe des Pflichtteils
Für das Pflichtteil gilt die gesetzliche Erbfolge. Hat der Erblasser keine ehelichen, nicht ehelichen oder adoptierten Kinder und Enkel, können seine Eltern Pflichtteilsberechtigte sein. Hat er weder Ehepartner noch Abkömmlinge, weder Enkel noch Eltern, kann er frei über seinen Nachlass verfügen. Gibt es diesbezüglich keine individuelle Regelung, gilt die gesetzliche Erbfolge. In diesem Fall können übrigens auch Geschwister erbberechtigt sein.
Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Berechtigte erhält Geld aus dem Nachlass. Ist der andere Ehepartner Alleinerbe, bekommen die Kinder lediglich ihr Pflichtteil.
Schmälerung des Nachlasses vor dem Tod: Anspruch auf Pflichtteilsergänzung
Doch wie wird verfahren, wenn der Erblasser seinen Nachlass (und damit die Erbteile der Berechtigten) vor seinem Tod maßgeblich geschmälert hat? Denn nicht selten kommt es in den letzten Jahren zu Übertragungen und Schenkungen zu Lebzeiten, welche die Anteile der Pflichtteilsberechtigten empfindlich reduzieren können.
In diesem Fall greift der Pflichtteilsergänzungsanspruch, der genau solche Fälle berücksichtigt und die Ansprüche der Berechtigten schützen soll.
Für den Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils nach § 2325 BGB gilt Folgendes:
- Anspruchsberechtigt sind die gesetzlichen Erben und Personen, die enterbt wurden.
- Als Pflichtteilsberechtigter kann der Erbe die Pflichtteilsergänzung verweigern, wenn dadurch sein eigener Pflichtteil verringert wird (§ 2328 BGB).
- Die Beweislast liegt beim Pflichtteilsberechtigten.
- Die Pflichtteilsergänzung beschränkt sich wie der Pflichtteil auf Geldzahlungen. Eine Mitbestimmung oder Teilhabe am Nachlass ist ausgeschlossen.
- Die vom Erblasser getätigte Zuwendung löst einen Pflichtteilsanspruch aus. Zuwendungen sind beispielsweise Geldgeschenke, ehebedingte Geschenke zwischen den Ehepartnern, Grundstücksschenkungen mit Vorbehalt des Nießbrauchs oder Wohnrechts sowie Abfindungen für einen Verzicht auf das Pflicht- oder Erbteil.
- Bei gemischten Schenkungen (Zuwendungen gegen geringfügige Gegenleistungen) wird später der Schenkungsanteil herausgerechnet.
Pflichtteilsergänzungsanspruch feststellen
Da nur in den seltensten Fällen klar ist, welche Schenkungen und Übertragungen genau der Erblasser kurz vor seinem Tod gemacht hat, können Pflichtteilsberechtigte Auskünfte und Informationen anfordern. Auf diese Weise können Defizite beim Pflichtteil festgestellt und Ergänzungen eingefordert werden.
Das Recht auf Auskunft und Nachlassverzeichnis
Der Pflichtteilsberechtigte kann von dem Erben
- Auskunft über die Höhe des Nachlasses zum Todeszeitpunkt
verlangen. Das bezieht sich außerdem auf Ehegattenschenkungen und Zuwendungen an Dritte.
Er hat darüber hinaus Anspruch auf Erstellung eines
- notariellen Nachlassverzeichnisses.
TIPP für Erblasser: Möchte der Erblasser seinen Erben vor späteren Pflichtteilsansprüchen schützen, kann er das Pflichtteil umgehen, indem er den Berechtigten einen Pflichtteilsverzichtsvertrag unterschreiben lässt. Dieser gilt auch für den Ergänzungsanspruch und beinhaltet eine finanzielle Entschädigung.
Welche Zuwendungen schmälern das Pflichtteil?
Der sogenannte Pflichtteilsergänzungsanspruch berücksichtigt Zuwendungen, die der Verstorbene zu seinen Lebzeiten dritten Personen gegenüber gemacht hat. Der Pflichtteilsberechtigte kann die Ergänzung des jeweiligen Zuwendungsbetrags zu seinem Pflichtteil verlangen. Denn um diesen erhöht sich der Pflichtteil, wenn die Zuwendung dem Erbe zugerechnet wird. Entsprechende Regelungen finden sich im § 2325 BGB.
Die speziellen Bestimmungen wurden gemacht, um zu verhindern, dass der Erblasser den Nachlass zu Lebzeiten durch Schenkungen an Dritte verringern kann. Und damit den Pflichtteilsberechtigten finanziell schlechter stellt.
Die Regelungen des § 2325 BGB beziehen sich auf Zuwendungen des Erblassers, die er innerhalb seiner letzten zehn Lebensjahre gemacht hat. Personen, die die Pflichtteilsergänzung nach ihrem Ableben vermeiden möchten, schließen besser ein Rechtsgeschäft ab, bei dem die Leistung mit einer Gegenleistung verknüpft ist.
Die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs
Der Anspruch auf die Ergänzung des Pflichtteils wird auf zwei Arten bemessen:
-
Wert zum Schenkungszeitpunkt
Hier bemisst sich die Höhe entsprechend dem Wert zum Schenkungszeitpunkt, wobei dieser dem Verbraucherpreisindex angepasst wird. Eine solche Regelung gilt für verbrauchbare Sachen (Wertpapiere, Geld). Liegt der Verbraucherpreisindex in einem bestimmten Jahr beispielsweise bei 106.3, wird ein Geldgeschenk von 100.000 Euro mit 106.300 Euro in Ansatz gebracht.
-
Verkehrswert zum Todeszeitpunkt
Möglich ist auch die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs mit dem Verkehrswert zum Todeszeitpunkt des Erblassers (Grundstücke, Häuser). Das Niederstwertprinzip wird angewendet, wenn der Immobilienwert zum Zeitpunkt des Grundbucheintrags niedriger war.
Die Pflichtteilsergänzung wird wie folgt berechnet: Aus dem Nachlass ohne Zuwendungen (realer Nachlass) wird der ordentliche Pflichtteil entsprechend der Quote herausgerechnet. Der reale Nachlass wird anschließend um die Zuwendungen ergänzt. Daraus ergibt sich der fiktive Nachlass. Aus diesem berechnet man dann gemäß der jeweiligen Quote den Gesamtpflichtteil. Und zieht danach den ordentlichen Pflichtteil vom Gesamtpflichtteil ab.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des Erben reduziert sich, wenn der Verstorbene die Zuwendung entsprechend § 2315 BGB auf den Pflichtteil anrechnen lässt. Für anrechnungspflichtige Zuwendungen gilt keine zeitliche Frist. Eigengeschenke an den Ergänzungsanspruchsberechtigten müssen nach § 2327 BGB ebenfalls angerechnet werden. Das ist auch dann der Fall, wenn der Verstorbene dies nicht verfügt hat.
Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen
Erben, die ihren Pflichtteil geltend machen, tun das gleichzeitig mit ihrer Pflichtteilsergänzung. Berechtigte können ihre Ansprüche gegen den Erben erheben, sobald sie von ihrem Pflichtteilsrecht Kenntnis erhalten. Dafür wendet sich der Berechtigte schriftlich an einen der Erben. Zuerst verlangt er von diesem eine finanzielle Auskunft Pflichtteil Kontoauszüge. Und fordert weitere Unterlagen wie beispielsweise ein Nachlassverzeichnis an. Außerdem lässt er die Bankunterlagen der zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers überprüfen.
Das Schreiben an den Erben enthält die genaue Höhe der Forderung. Berechtigte können innerhalb von drei Jahren nach dem Tod des Erblassers ihren Pflichtteil geltend machen. Den Anspruch auf Pflichtteilsergänzung können sie nach § 2329 BGB auch gegen den Beschenkten richten. Anstands- oder Pflichtschenkungen gehören zwar auch zum Nachlass, werden aber entsprechend dem sogenannten Abschmelzungsmodell behandelt.
Das Abschmelzungsmodell, oder: Warum der Schenkungszeitpunkt so wichtig ist
Der Schenkungszeitpunkt spielt für die Pflichtteilsergänzung eine wichtige Rolle. Stirbt der Erblasser wenigstens zehn Jahre nach der Zuwendung, bleibt deren Wert bei der Berechnung der Pflichtteilsergänzung unberücksichtigt: Zuwendungen werden nur auf den Pflichtteil angerechnet, wenn sie innerhalb der Zehnjahresfrist erfolgen. Seit dem 1.1.2010 wird das Abschmelzungsmodell angewendet (pro rata Lösung): Erfolgte die Zuwendung drei volle Jahre vor dem Tod des Erblassers, wird die Schenkung um drei Zehntel verringert. Für jedes Jahr zieht man zehn Prozent ab. Daraus wird anschließend der Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnet. Für den Beginn der Zehnjahresfrist gelten unterschiedliche Zeitpunkte. Bei Ehepartnern ist das Datum der Scheidung maßgebend. Geht es um Grundstücksschenkungen mit einem Nießbrauchsvorbehalt, setzt die Frist mit dem Ableben des Nießbrauchsberechtigten ein.
Kann man bei einer Schenkung die 10 Jahresfrist umgehen?
Nicht unter die Zehnjahrespflicht fallen Zuwendungen, die der Erblasser seinem Ehepartner während der ehelichen Gemeinschaft zukommen lässt. Das gilt auch für Immobilienschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt. Außerdem können Mitspracherechte des Schenkenden die zehnjährige Frist deutlich verlängern.